Kernarbeitszeit: Das sollten Arbeitnehmer wissen

Kernarbeitszeit: Das sollten Arbeitnehmer wissen

Berufsleben | 22.01.2020

Während der Kernarbeitszeit müssen die Mitarbeiter im Betrieb anwesend sein. Die Zeit der Anwesenheit legt der Betrieb selbst im Arbeitsvertrag fest. Dieses Arbeitszeitmodell wird in der Regel mit der Gleitzeitregelung als flexible Möglichkeit der Arbeitszeitgestaltung festgelegt.

Was versteht man unter Kernarbeitszeit?

Muss die Kernarbeitszeit eingehalten werden?

In den Arbeitsverträgen existieren unterschiedliche Vorschriften. Während die einen eine fest vorgegebene Arbeitszeit von 9:00 bis 17:00 Uhr haben, freuen sich andere über Gleitarbeitszeit oder sind vielleicht weniger erfreut über Schichtarbeit. Eine wichtige Frage ist die jedoch die nach den Kernarbeitszeiten mit Arbeitsbeginn und Arbeitsende. Wie die zuvor genannten unterschiedlichen Arbeitszeiten kann auch die Kernarbeitszeit Vor- und Nachteile haben. Die Mitarbeiter sollten die in ihrem Betrieb festgelegten Regelungen hinsichtlich der Kernarbeitszeit und Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz sowie ihren Arbeitsvertrag jedoch genau kennen, um unwissentliche Versäumnisse, die nach wiederholtem Eintreten zu einer Abmahnung beziehungsweise Kündigung führen können, zu vermeiden.

Was passiert, wenn die Vorschriften der Kernzeit nicht eingehalten werden?

Viele Mitarbeiter sind der Meinung, wenn sie morgens den Beginn der festgelegten Kernarbeitszeit verpassen, aus welchen Gründen auch immer, können sie am Ende einfach eine Stunde dranhängen. Dem ist jedoch nicht so, denn während der Kernarbeitszeit besteht Anwesenheitspflicht innerhalb eines durch den Betrieb festgelegten Zeitrahmens. Ein Ausgleich durch Überstunden ist daher nicht vorgesehen. Eine Abmahnung nach dem ersten Verstoß gegen die Arbeitszeitregelung ist jedoch nur bei entsprechender vom Einzelfall abhängender Verhältnismäßigkeit möglich. Eine Kündigung nach dem ersten Verstoß ist dagegen nicht zulässig, denn der Arbeitgeber muss dem Mitarbeiter die Möglichkeit geben, sein Verhalten aufgrund einer Abmahnung zu ändern.

Warum wird Kernarbeitszeit vereinbart?

In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung gerät selbst die Kernarbeitszeit vermehrt in die Kritik, obwohl diese Vorschrift bereits ein Teil flexibler Arbeitszeitmodelle ist. Unter Kernarbeitszeit versteht das deutsche Arbeitsrecht eine genau vorgeschriebene Arbeitszeit, die durch Arbeitsverträge und/oder Betriebsvereinbarungen festgelegt wird. Gemeint ist damit die Arbeitszeit, in der Mitarbeiter auf jeden Fall im Unternehmen anwesend zu sein haben. Sie ist Teil der Gleitzeitregelung, die eine individuelle Gestaltung der Arbeitszeit außerhalb dieser fest vorgeschriebenen Anwesenheitszeiten ermöglicht, soweit dieses Modell in dem jeweiligen Betrieb angewendet wird.

In welcher Zeit die Mitarbeiter am Arbeitsplatz anwesend sein müssen, liegt im Ermessen des jeweiligen Arbeitgebers und ist nicht durch das Arbeitsrecht geregelt. In vielen Unternehmen wird die Kernarbeitszeit zwischen 7:00/9:00 Uhr und 14:00 Uhr festgelegt. Die restliche Arbeitszeit kann dagegen frei bestimmt werden, sodass die Mitarbeiter die Gelegenheit haben, Arbeit und Familie beziehungsweise Freizeit besser miteinander zu vereinbaren.

Für viele Mitarbeiter ist die Kombination Kernarbeitszeit plus flexible Arbeitszeitgestaltung wichtig, um am Nachmittag die Kinder von der Kita abzuholen, die Hausaufgabenbetreuung zu begleiten oder Besorgungen zu machen. Die Kernarbeitszeit als feste Arbeitszeitregelung wird mit dem Modell der Gleitzeitregelung als flexibler Teil der Arbeitszeitvereinbarung kombiniert. Zu beachten ist jedoch, dass die vorgeschriebene Anwesenheit im Betrieb unbedingt einzuhalten ist. Arbeitnehmer sollten nicht zu großzügig mit dieser gewährten Freiheit umgehen, denn schon wiederholte Versäumnisse von nur wenigen Minuten können zu einer Abmahnung und in schweren Fällen zu einer Kündigung führen.

Es gibt jedoch auch Gleitzeit ohne die gleichzeitige Anwendung der Kernarbeitszeit, zum Beispiel in Arbeitsbereichen, die keinen oder nur wenig persönlichen Kontakt zu Kollegen und/oder Kunden erfordert.

Legt ein Betrieb die Kernzeit zwischen 9:00 und 14:00 Uhr fest, liegt die Gleitzeit zwischen 7:00 und 8:00 Uhr sowie zwischen 15:00 bis Feierabend. Auf den ersten Blick sind das mehrere Uhrzeiten, was vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig wirkt, insbesondere für Mitarbeiter, die zuvor ausschließlich innerhalb starrer Arbeitszeitregelungen von 8:00/9:00 Uhr bis 17:00/18:00 Uhr gearbeitet haben. Die Vorteile liegen jedoch auf der Hand: außerhalb der fest vorgegebenen Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz können Arbeitnehmer ihren Arbeitstag flexibel gestalten und auch mal früher oder später anfangen beziehungsweise eher Feierabend machen. Der Arbeitsbeginn wird als Eingleitzeit, das Arbeitsende als Ausgleitzeit bezeichnet.

Kernarbeitszeit: Wie wird dieses Arbeitszeitmodell dokumentiert?

Da in den meisten Unternehmen ein elektronisches beziehungsweise digitales System der Arbeitszeiterfassung eingesetzt wird, besteht nicht die Gefahr der Unübersichtlichkeit, da die geleistete Arbeitszeit genau erfasst wird. Das kombinierte Modell der Kernarbeits- und Gleitzeit wird in der Regel durch ein Arbeitszeitkonto ergänzt, auf dem Über- und Minusstunden erfasst werden, da durch dieses moderne Arbeitszeitmodell die tägliche Arbeitszeit sowohl über- als auch unterschritten werden kann. Die meisten Unternehmen legen fest, wie viele Plus- oder Minusstunden die Mitarbeiter ansammeln dürfen. Diese dokumentierten zu viel oder zu wenig geleisteten Arbeitsstunden sind innerhalb einer bestimmten Zeit auszugleichen. Auch in diesem Fall macht das Arbeitsrecht keine Vorgaben. Jeder Betrieb kann die Art der Dokumentation frei wählen.

Welche Vorteile haben Arbeitgeber?

Nicht nur für Arbeitnehmer hat das Modell der Kernarbeitszeit in Verbindung mit Gleitzeit Vorteile, sondern auch für die Arbeitgeber. Diese versprechen sich von dieser modernen Regelung mehr Motivation, Loyalität und Zufriedenheit der Mitarbeiter, da die Arbeitszeit besser mit dem Familienleben und sonstigen Terminen vereinbar ist. Zufriedene Mitarbeiter, die nicht ständig darüber nachdenken müssen, wer die Kinder nachmittags von der Kita abholt und nicht jeden Tag telefonieren müssen, um die Kinderbetreuung zu regeln, sind zufriedener und damit weniger stressanfälliger und konzentrierter bei der Arbeit.

Nicht nur Arbeitnehmer mit Kindern schätzen dieses flexible Arbeitszeitmodell jedoch. Gerade junge und gut ausgebildete, im digitalen Zeitalter groß gewordene Mitarbeiter sind recht anspruchsvoll, was die Möglichkeit der Freizeitgestaltung angeht. Für sie steht nicht mehr die Karriere um jeden Preis im Vordergrund, sondern eine Work-Life-Balance, die sich nicht mit starren Arbeitszeiten von 9:00 bis 17:00 Uhr erreichen lässt. Vorgesetzte sind daher gut beraten, ihren Mitarbeitern hinsichtlich der flexiblen Gestaltung ihrer Arbeitszeiten entgegenzukommen.

Viele Unternehmen sind jedoch nach wie vor der Meinung, dass Kernarbeitszeiten in Kombination mit einer flexiblen Regelung der Arbeitszeit zu Unübersichtlichkeit und Problemen führt und jeder Mitarbeiter im wahrsten Sinne des Wortes macht was er will. Moderne Unternehmen wissen jedoch, dass nicht ein enges Korsett an Vorschriften, Befehlen und Einschränkungen zu mehr Arbeitsleistung, Motivation und Zufriedenheit führt, sondern gegenseitiges Vertrauen und die Einstellung auf veränderte Familien- und Freizeitmodelle der Mitarbeiter. Allerdings müssen die Mitarbeiter auch bereit sein, sich entsprechend einzubringen, damit nicht die Gefahr besteht, dass jeder nur noch seine eigenen Wünsche und Anliegen beachtet.

Wie lässt sich das Modell von Kernarbeit und Gleitzeit am besten umsetzen?

Da die meisten Arbeitnehmer im Team mit Kollegen arbeiten, sind Absprachen über Anwesen- und Abwesenheit außerhalb der Kernzeit zwingend erforderlich. Diese Absprachen stellen sicher, dass Kollegen nicht aneinander vorbei arbeiten, sondern sich gegenseitig unterstützen. Auf diese Weise funktioniert die Teamarbeit auch mit dem Gleitzeitmodell und stärkt das Wir-Gefühl. Der gegenseitige Austausch fördert zudem das aktive Suchen nach Lösungen und die a effektive Beseitigung von eventuell bestehenden Problemen.

Die Regelung der Kernarbeitszeiten stellt dagegen sicher, dass alle Mitarbeiter während einer festgelegten Zeitspanne im Betrieb präsent sind und für Rückfragen umgehend zur Verfügung stehen. Es besteht zwar auch die Möglichkeit des schnellen Informationsaustausches über E-Mail, App-Nachrichten oder ähnliche Kommunikationsmodelle, manchmal ist es jedoch ganz angenehm, wenn ein Problem sofort vor Ort besprochen werden kann. Außerdem gilt es zu beachten, das längst noch nicht alle Akten und Dokumente in digitaler Form über eine zentrale Plattform einsehbar sind. Die Einsicht in benötigte Unterlagen kann daher nur im Betrieb erfolgen, sodass eine komplette Home-Office-Regelung häufig nicht möglich ist.

Für die an den betriebseigenen Maschinen eingesetzten Mitarbeiter sind Kernarbeitszeiten daher besonders praktisch, da eine andere Möglichkeit der freien Arbeitszeitgestaltung nicht besteht. Befürworter der kompletten Abschaffung der vorgeschriebenen Anwesenheit im Betrieb sollten zudem beachten, dass es in jedem Betrieb immer mal wieder Not- und Ausnahmefälle gibt, die eine umgehende Reaktion und ein sofortiges Eingreifen erfordern, wenn zum Beispiel große Projekte nicht so laufen, wie zuvor festgelegt, Kunden Änderungswünsche haben oder außerplanmäßige Meetings erforderlich sind.

Was ist Funktionszeit

Das Gegenteil der Kernzeit ist die Funktionszeit, mit der die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten komplett selbst bestimmen. Diese größtmögliche Flexibilität bedeutet jedoch nicht grenzenlose Freiheit. Die Funktionszeit wird auf der Grundlage der gesetzlichen und betrieblichen Arbeitszeitbestimmungen frei gewählt. Besteht in einem Betrieb die 40-Stunden-Woche, müssen die Mitarbeiter diese vorgeschriebene Arbeitszeit auch leisten. Wie sich diese Arbeitsstunden aufteilen, liegt jedoch in ihrem Ermessen, denn verbindliche Arbeitszeit existieren in diesem Fall nicht.

Stattdessen gibt es die sogenannten Funktionszeiten. Innerhalb dieses Zeitrahmens muss ein Betrieb funktionieren und je nach Geschäftsmodell produzieren, Dienstleistungen erbringen und/oder für die Kundschaft erreichbar sein. Innerhalb der Funktionszeit bestimmen die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit selbst, orientieren sich dabei jedoch an den betrieblichen Erfordernissen und sprechen sich mit ihren Kollegen ab.

Fazit

Das innovative Modell von Kernzeit in Kombination mit Gleitzeit bietet für beide Seiten einige Vorteile. Die Arbeitnehmer können Arbeits- und Familienleben besser miteinander vereinbaren. Arbeitgeber haben über dieses Arbeitszeitmodell die Möglichkeit, ihren Mitarbeitern Vertrauen und Wertschätzung entgegenzubringen. Diese betriebliche Vereinbarung führt dazu, dass Mitarbeiter ihre Arbeit motivierter und zufriedener angehen. Der tägliche Stress hinsichtlich der Unvereinbarkeit von Arbeit und Familie entfällt und führt letztendlich zu mehr Konzentration und Arbeitsproduktivität, was wiederum im Sinne der Arbeitgeber sein dürfte.

Dr. Hans-Peter Luippold

Autor: Dr. Hans-Peter Luippold

Dr. Hans-Peter Luippold studierte Betriebswirtschaft in Freiburg und Köln und sammelte als Führungskraft bei Daimler, Volkswagen, Lufthansa, Wella und Vorwerk Erfahrungen in allen wesentlichen Unternehmensbereichen. Seit April 2000 ist er als Unternehmens- und Personalberater in Frankfurt am Main tätig. Er hält regelmäßig Vorträge und lehrt zu den Themen Erfolg und Karriere. Vernetzen Sie sich mit ihm über Xing und LinkedIn.

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